Zwischen Abschied und Aufbruch

Gerade habe ich meine Wohnung gekündigt, ich werde nach Großbritannien ziehen. Nicht wirklich weit und gar nicht so anders. Obwohl wahrscheinlich viel mehr anders ist, als ich ahne.

Wer umzieht, will zu etwas hin oder von etwas weg. Will etwas gewinnen oder etwas loslassen, in etwas hineinwachsen oder sich aus etwas befreien, das nicht mehr passt.

Ich bin schon dutzende Male umgezogen, doch noch nie kamen beide Seiten so sehr zusammen wie jetzt. Ich will weg aus Kiel und ich will nach England – ich will beides gleichermaßen und unabhängig voneinander.

Weg von hier …

Vierzehn Jahre habe ich in Kiel gelebt (wer Neumünster kennt, wird mir nachsehen, dass ich die zwei Jahre dort unterschlage). Doch ohne Polly ist die Stadt für mich keine Heimat mehr. Sie ist ein Ort, der »auch schöne Ecken hat«.

Auch meine Wohnung ist kein Zuhause mehr. Seit meiner Rückkehr aus dem Iran konnte ich dort kaum sein, kaum atmen. Überall ist Polly nicht.

Ich wünschte, ich wäre aus Kiel herausgewachsen. Stattdessen ist es wie der kuschelige Lieblingspullover, den man falsch gewaschen hat. Er ist kratzig geworden, hat sein Wohlgefühl verloren. Man versucht trotzdem, ihn zu tragen und merkt, dass er auch eingelaufen ist. Man kann ihn kaum schnell genug ausziehen, um gegen das Kratzen anzukratzen.

Es wurde besser, als ich mit dem Packen begonnen habe. Seit ich die Wohnung auflöse, ist alles wieder stimmig. »Trauer ist Liebe, die heimatlos geworden ist«, habe ich auf einer Karte gelesen. In diesen Umbruchzeiten, in dieser Zwischenzeit zwischen Alt und Neu, passen außen und innen zusammen.

… und dahin.

Wie soll ich den Ort, an den ich ziehe, nur beschreiben? Er liegt im südenglischen Nationalpark New Forest, und wenn ihr Bilder dazu googelt, versteht ihr mein Problem: Es ist schwer zu glauben, dass es eine so schöne Region wirklich gibt. Geschweige denn, dass dort wirklich jemand leben darf.

Vor fast zwei Jahren war ich zum ersten Mal dort, inzwischen einige Male – ich habe versucht, mein Gefühl für diesen Ort einzufangen.

Sicher?!

Natürlich ist mir auch ein bisschen mulmig. Wird alles gutgehen? Werde ich genug Geld verdienen? Werde ich auch nicht einsam sein?

Das werde ich sehen. Tief in mir bin ich sicher, dass es gut wird. Ich will in diesem Haus leben, das dort seit 1786 steht. Ich will es mit meiner Schwiegermutter und meinem Mann pflegen und in die Zukunft bringen – ebenso wie das große Grundstück, das dazugehört. Ich will Teil seiner Geschichte werden. Ich will weiter reisen und schreiben – und weiter Geld damit verdienen. Und ich will weiter mit Hunden zu tun haben – auf welche Weise auch immer.

In so ein Leben kann man gut hineinwachsen – ich kann es kaum erwarten.


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