Vier Wochen lang war ich 2020 in den Karpaten unterwegs. Die Karpaten – das klang für mich sehr fremd und sehr weit weg. Dabei beginnt die Gebirgskette schon bei unserem Nachbarn Tschechien – und erstreckt sich dann über weitere sieben Länder. Die mir aber nicht nur unbekannt, sondern ebenfalls vollkommen fremd waren.

Durch einige von ihnen bin ich mit Motorrad und Zelt gereist, habe versucht, genau hinzuschauen, um Länder und Leute ein bisschen kennenzulernen. Von gelungenen und gescheiterten Versuchen, von Bären auf dem Balkon, von Palinka am Straßenrand und vielem mehr erzählt dieses Buch.

 

  • 197 Seiten Reiseabenteuer
  • 80 Farbbilder und eine tolle Karte
  • 17 Euro

Das „Hin und weg – Blind Date mit den Karpaten“ gibt es überall, wo es Bücher gibt, z.B. bei Amazon als Taschenbuch und als Ebook für den kindle oder den tolino.

 

 

Jürgen Theiner vom Motorradblog MOTORPROSA – Geschichten aus der Kurve hat das „Blind Date“ sogar schon gelesen und – ich freu mich sehr, dass er sich mit seiner besonderen Art auch meinem zweiten Buch gewidmet hat:

 

Kein Schiff nimmt uns mit ins Weite wie ein Buch

Emily Dickinson


Ein Schiff kommt in Evas neuem Buch nicht vor, denn für ihr Blind Date musste sie den Kontinent diesmal nicht verlassen. Es gibt keine Reisevorbereitungs-Geschichte und keine Tränen, denn Josi, ihre treue BMW, bleibt immer bei ihr.

Eva bietet uns Josis Beifahrer-Sitz an der Grenze zu Tschechien an. Einen kleinen Teil Tschechiens erlebte ich vor vielen Jahren auf einer Klassenfahrt. Es mögen auch bei mir 25 Jahre her sein: im Bus bis nach Plzen, und nach der ersten Justierung des Promille-Spiegels nach Prag, mit den Taschen voller tschechischen Kronen, die ich wegen des unfassbar niedrigen Preis-Niveaus nicht mehr los wurde. Die Discos quollen mit hippen Jugendlichen über, der Nirvana-Song “Smells like Teen Spirit” war allgegenwärtig und genickbrechend, meine Haare wallten lang und meine Kleider rochen punkig. Der Abend im erotischen Theater in der Prager Altstadt war fragwürdig und grenzwertig, da half auch der schon zum Frühstück kredenzte Wodka nicht mehr weiter.

Meine Erinnerungen an Prag sind also immer noch heftig und laut, fast von allem zuviel. Eva hingegen spaziert – sei Corona Dank? – fast allein durch die Prager Burg und trifft Kafka im verlassenen Goldmachergässchen. Wie schön … auch wenn das Preis-Niveau in der Tschechei immer noch schockt. Und die Menschen etwas schwierig sind.

Nach dem Prag-Aufenthalt beginnt auch mein Blind Date. “Karpaten” sagt mir zwar was, und doch weiß ich nichts darüber. Die Slowakei kommt mir zwar täglich näher, weil eine Arbeitskollegin mitten in der Hohen Tatra aufgewachsen ist und mich bei Kaffeepausen gerne mit landestypischen Leckereien glücklich macht. Oder nachts Videos von Panzer-Ausflugsfahrten durch die Tatra-Pampa schickt.

Aber Polen? Ungarn? Rumänien? Diese Länder würde ich nach kurzer Suche auf der Landkarte sicher finden, aber Bezug zu ihnen hab’ ich keinen. Ja, ich habe zwei Sommer lang mit zwei Frauen aus Polen in einer kleinen Gasthaus-Küche gekocht und einiges über Wodka und Sliwowitz gelernt. Milos aus Tschechien war vier Sommer lang mein Assistent am Herd. Aber in ihre Heimat reisen, von der sie – natürlich – immer schwärmten? Oder dort irgendwo Urlaub machen? Nein, daran finde ich nichts Reizendes.

Ich vorurteile stark in mir, auch wenn die Geschichten von Reisenden ausnahmslos Positives erzählen. Auch Eva bestätigt meine Vorurteile mit keiner Zeile.

OK, es gibt viel Müll, der herumliegt oder verbrannt wird. Verfallende, vermodernde Gebäude. Eingezäunte Grundstücke mit Rohbauten, die in ihrer Hässlichkeit mit den in der Vergangenheit stecken gebliebenen Plattenbau-Vororten größerer Ortschaften konkurrieren.

Evas Beschreibungen der Armut sind schmerzhaft zu lesen, noch schmerzhafter vorzustellen. Sie schreibt von Lebensrealitäten, die “uns” Europäern selbst in Albträumen nicht begegnen. Dabei schockiert diese schandhafte Realität mitten in Europa, mitten unter “uns”. Der erhobene Zeigefinger bleibt trotzdem am Lenker, Eva informiert lieber in ihrer Übrigens-Rubrik über Kultur, Historisches, langsam, aber nicht gut Gewachsenes.

Mir öffnen sich die Augen mit jedem Abbau von Evas Zelt, mit jeder ihrer Straßenrand-Entdeckungen. Mit ihrem Kaffee-Problem käme ich locker klar – dafür nötigt mir die Art und Weise, wie Eva reist, den allergrößten Respekt ab. Wie schon auf ihrer USA-Reise. Ich bin bei Weitem kein Motorrad-Reisender, bin sogar im Auto ein Mindestens-Einen-Tag-Voraus-Bucher, brauche abends ein Hotel mit heißem Wasser und weißer Keramik. Ich könnte wohl ganz gut ohne Gespräche mit Einheimischen durch die Länder kommen, aber immer wieder gegenwärtige Armut und nicht vorhandene Lebensstandards, die dann doch mit perversem Wohlstand konkurrieren, die gingen mir definitiv nahe. Zu nahe.

Von meinem bisher längsten Motorrad-Ausflug, der mich immerhin bis tief in die Provence brachte, haben sich die Bilder eines verlassenen, verfallenden Landstrichs im Grenzgebiet von Italien und Frankreich nachhaltig negativ in die Erinnerung gebrannt. Das Hineinfühlen in die dortige Lebensrealität zwang mich in eine tiefe Traurigkeit.

Eva fährt tagelang allein durch solche Landstriche – auch wenn die Landschaft, die an ihr vorbei zieht, für wirklich alles entschädigt. Sie sucht und findet ihre Schlafplätze an den irrsten Orten, reist ohne große Vorbereitung auf die einzig wahre Art: offen und wach für Alles, positiv und aufgeschlossen, zuversichtlich und mutig. Ich mag sie dafür bewundern.

Ihre Sprache lässt den Geruch der Holzkirchen Rumäniens in den Raum strömen. Oder die kuriose Mischung von warmem Stausee-Wasser, in dem etwas zuviel Müll dümpelt. Ich rieche frisch von Hand geschnittenes Gras, die Fahnen von dampfendem Pferdemist und den beißender Giftrauch illegaler Müllverbrennung – und kann das nach dem Weiterlesen nicht mehr verurteilen. Einiges, was bei uns schändlich wäre, ist anderswo überlebenswichtig …

Spätestens bei Evas Befahren der Transfăgărășan – was ich vor einiger Zeit sogar selbst geplant hatte – schleicht sich die leise Vorstellung, doch irgendwann mal ein eigenes Blind Date mit den Karpaten zu wagen, nach vorne. Eva hat mir auf ihrer Fahrt hierher meine Vorurteile in Luft aufgeschrieben. Ihre Begeisterung für Land und Leute und das Fahren mit Josi ist ansteckend und fesselt mich ans Buch.

Beinahe ist es schade, dass die Reise abrupt endet, weil die Heimfahrt daraus wird. Mehr als einmal denk ich mir beim Lesen der letzten Seiten: “Fahr bitte von der Autobahn herunter, erleb’ noch was für uns! Triff doch noch ein paar interessante Menschen und entlocke ihnen ihre Geschichten! Bleib doch bitte noch, einen Kaffee lang …”

Drei Kilometer vor der heimischen Haustür bleibt Josi ohne Benzin stehen. Ein Zeichen für ein drittes Date?

Ich werde geduldig warten.

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