Ich gebe zu: So richtig kenne ich Rumänien nicht. Aber das ist nicht meine Schuld, sondern die der Maramures. Dass ich in diese traditionelle, wald- und hügelreiche Region Nordrumäniens verliebt bin, dürfte inzwischen (auch wegen dieses Artikels) bekannt sein 😉
Ein Teil von mir wollte sich in Breb sofort für eine (Achtung, Neudeutsch) Workation einnisten. Ein paar Wochen hier an einem Buch zu arbeiten und einfach zu sein, muss doch traumhaft sein! Doch gleich kam die Frage auf: „Was würde ich damit für die Region tun? Wäre ich nicht nur Schmarotzerin?“
Sicher, ich würde im lokalen Mini-Markt, dem „Magasin Mixt“, einkaufen, der rund um die Uhr geöffnet ist: Wer den Hof betritt, klingelt – jemand kommt und man kann einkaufen. Das wäre es dann aber auch. Gut, ich würde das eine oder andere Mal ein Gläschen Horinka genießen, den vom Nachbarn der Ladeninhaberin gebrannten Schnaps mit 50% (ich kann es noch immer nicht glauben). Würde ich selbst irgendwann brennen? Wohl kaum …
In einem Land vor unserer Zeit
Der Charme der Region besteht aus alten, traditionell gebauten Häusern, vielfältig bewirtschafteten Gärten, grasenden Kühen und über die Schotterstraße trottenden Schafherden.
Doch all das ist so zauberhaft, weil die Menschen des Ortes hart arbeiten – und zwar so mühsam, wie es schon vor Hunderten von Jahren war.
Bis ins hohe Alter arbeiten alle. Diese Oma brauchte eine Minute für drei Schritte, hangelte sich am Haus entlang und trug ihren Teil zum gemeinsamen Leben bei. Bei uns in Deutschland sitzen wesentlich fittere Ommas in Heimen – zur Sinnlosigkeit verdammt.
Ich tu mich noch immer schwer damit, Menschen zu fotografieren. Umso mehr hab ich mich gefreut, dass ich diesen Schäfer knipsen durfte. Er hatte seine Herde langsam, gemütlich durch das Dorf auf die Wiese getrieben (Polly hatte Angst vor den Schafen, ist das zu glauben?). Könnte er so ein Leben heute noch einmal beginnen?
Viele Restaurants und Läden der Region verwenden heimische Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch für ihre Produkte – welcher Lebensstandard ist damit für Schäfer wie ihn möglich? Und welchen will er überhaupt?
Wäre unsereins bereit, so zu arbeiten, so zu leben? Es ist ja wundervoll romantisch, diese Szenen über den Gartenzaun zu fotografieren – aber das als eigenes Leben?
Welche Zukunft hat dieses Mädchen, das mir ein selbstgebasteltetes Armband verkauft?
Ab dem späten Nachmittag sitzen Menschen aller Altersgruppen auf einfachen Bänken vor ihren Häusern. Sie plaudern, lachen, gucken, dösen – und wirken zufrieden. Oder ist das meine Projektion?
Arrgghhhh … All Diese Fragen und Widersprüche arbeiten in mir. Kann es diese zauberhafte Region so nur geben, wenn ihre Menschen nicht in der „Moderne“ ankommen? Ich fürchte, es ist so.
Kunsthandwerk
Die Maramures ist reich an Gehölzen und alten Wäldern (noch, denn natürlich gibt der Westen sein Bestes, diese für schicke Möbel abzuholen). Und indem die Menschen seit jeher mit dem arbeiten, was sie zur Verfügung haben, entstand und entsteht Wunderschönes:
Diese Zäune werden ohne Nägel, ohne Leim gefertigt. Die langen Äste werden so durch die Pfosten geführt, dass ein stabiler und dekorativer Zaun entsteht.
Natürlich müssen dafür die passenden Äste gesammelt werden:
Auch die riesigen Hoftore bestehen aus Holz: Die Muster vereinen traditionelle Elemente und Symbole für Ereignisse in der jeweiligen Familiengeschichte.
Die Tore bestehen aus einer Tür, durch die die Bewohner treten können, und einem großen, zweiflügeligen Tor, durch das die Karren bzw. heute auch Autos fahren.
Was ich ich der Maramures gesehen habe, setzt sich im Rest Rumäniens fort: Tradition geht mit eingeschränkter Infrastruktur und Armut zusammen – Moderne mit besserer Infrastruktur und neuen Häusern, die selbst dann charakterlos oder sogar hässlich sind, wo sie traditionelle Elemente imitieren.
Der egoistische Teil von mir wünscht, Rumänien möge arm und schön bleiben.
5 thoughts on “Rumänien – Herzensland mit Widersprüchen”