Frau vor Zelt in Natur

Karpaten 2 – Der Weg ist das Ziel

Drei Kaffee nach dem Beitragsbild ein kleiner Versuch, die vergangenen Tage auf dem Weg in die Karpaten zusammenzufassen.
In ganz kurzer Kürze: Es ist ein Traum!
Selbst der Weg dorthin ist wunderschön und unterhält mit allerlei Spannendem und Kuriosem.
Immer wieder stehen Einheimische am Straßenrand und pflücken, was die Bäume und Sträucher gerade bieten: Pflaumen, Beeren, Birnen. Es strahlt eine Ursprünglichkeit aus, die gut tut. Ist wahrscheinlich wieder der westlich-verklärende Blick – vielleicht wünschten sie sich, die Rente wäre höher und der Supermarkt näher?
Immer wieder stehen am Straßenrand Gestalten in Gruppen – in Tschechien gönnt man ihnen Kopfbedeckungen, in der Slowakei nicht.
Immer wieder (gefühlt) fährt man über Grenzen (CZ-PL-SK, und das auch mal hin und her), die (wiederum gefühlt) so gar nichts bedeuten – und das ist einfach großartig. Tatsächlich gibt es viele fast grüne innereuropäische Grenzen, bitte mehr davon!
Das Dreiländereck ist übrigens voll fürn Arsch. Stellt euch eine Torte vor, die in drei Stücke geteilt ist. In jedem Stück stecken nahe (!) der Spitze dreieckige (immerhin) Kerzen bzw. Marmorstelen mit den jeweiligen Landeswappen – ca. 50 Meter voneinander entfernt. Das war’s. Ich wollte den einen Punkt, in dem sich die drei Länder treffen, nicht drei Stelen irgendwo! Dort, wo der Punkt sein müsste, fließt ein Bächlein. Egal, wieder was gelernt: Mein Four Corners Point in den Staaten ist schwer zu toppen.
Immer wieder halte ich an, um die Landschaft fotografieren, in die die Straße vor mir sich hineinwindet – vergebens. Nicht das Anhalten, sondern das Einfangen. Grün, weit, hügelig bis bergig, darüber strahlend blauer Himmel.
Immer wieder stoße ich auf Spuren der militärischen Vergangenheit – sei des bei dem Typen, der für 10 Euro pro Person Touristen 15 min in seinem Panzer durch den Matsch fährt…
… sei es am Autofriedhof, auf dem auch eindeutig ausrangierte, weil verrostete Schnellboote liegen. Natürlich mache ich Fotos, werde aber von einem Typen, der im weißen Jeep angedüst kommt, dazu angehalten, sie zu löschen – das sei verboten. Hallo??? Das ist alles Schrott, jeder kann es sehen, warum soll das verboten sein?? Du hast hier doch bestimmt nicht mal was zu sagen – wo ist dein Ausweis?! Aber ich gebe mich zerknirscht und lösche die Handybilder. Nicht ohne sie beim nächsten Stopp wiederherzustellen. Das ich auch noch Bilder mit der Kamera gemacht habe, hat er gar nicht gecheckt – der mit Sicherheit nicht geschult.
Und immer wieder muss ich abends schauen, wo ich mein Zelt aufbaue. Bisher habe ich immer Glück, mein Aufstieg ist unaufhaltsam: vom verfallenen Irgendwas…
… über ein Eigenheim (na gut, ein Rohbau, neben dem ich zeltete) bis hin zum Feriendorf für mich allein…
… und heute Nacht ein weites Feld mit der Hohen Tatra, deren Umrisse von unfassbar hellen Sternen beleuchtet werden. Die Sterne sind so hell, dass ich während eines Pipigangs Orion, Kassiopeia und den Schwan sehen kann – und das ohne Kontaktlinsen!
 
Es ist einfach wundervoll.

Karpaten 1 – Endlich wieder unterwegs!

Endlich, endlich, endlich – ich kann euch kaum beschreiben, wie gut das tut! Aber vielleicht muss ich das auch gar nicht; viele, die schon mal länger mit dem Motorrad unterwegs waren, werden wissen, was ich meine.

Ursprünglich wollte ich auf dieser Tour jedes Land in Südosteuropa besuchen (vielleicht erinnert ihr euch daran). Dass ich dafür viel zu spät losfahre, liegt ausnahmsweise nicht an Corona, sondern daran, dass die 1. Auflage meines Buches nicht so schick geworden ist wie erhofft, und einiges überarbeitet werden musste. Also werden es „nur“ die Karpaten – ich bin gespannt!

Whatever: Ich bin unterwegs! Der Weg in die Karpaten führt unweigerlich über BTB Boxertechnik Berlin, wo Josis Schutzengel Franco nicht nur den Anlasser austauscht, sondern auch Öl wechselt und noch mal alles checkt.

BTB Boxertechnik Berlin: Franco kümmert sich um Josi

Bei 33 Grad geht es dann in Richtung Süden. Und schon bald finde ich den…

… als ich in Straupitz/Spreewald meinen Cousin und seine großartige Familie besuche. Grillen, plantschen, plaudern – ich bleibe hier! Nein, mache ich natürlich nicht. Aber ganz so schlimm wäre es nicht…

In Zittau fängt das Motorrad-Vagabundinnen-Leben an: Ich verbringe die Nacht in einem Gewerbegebiet. Am Samstagabend ist hier niemand, und Sonntagmorgen sollte ich auch meine Ruhe haben. Dass ich ausschließlich von Essen träume, mag mit der nahe gelegenen Landfleischerei zu tun haben, die irgendwann in der Nacht anfängt zu räuchern.

Kurz nach sieben werde ich wach, döse noch ein wenig und widme mich dem einzig akzeptablen Frühsport: dem Schneckenschnipsen. Jedes Tier, das den Fehler gemacht hat, sich außen am Zelt emporzuschleimen, fliegt in hohem Bogen zurück auf die Wiese. Als ich gegen acht aus meinem Zelt krabbele, bemerke ich zuerst, dass die Wiese und damit auch mein Zelt pitschnass sind. Hat es geregnet oder ist der Boden einfach so feucht? Letztlich spielt es keine Rolle: Das Zelt muss trocknen, bevor es eingerollt wird. Dann entdecke ich an einem Seitenausgang der Fleischerei zwei Angestellte – Zigarettenpause. Natürlich entdecken sie mich auch, und getreu dem bewährten “Angriff ist die beste Verteidigung” gehe ich zu ihnen, grüße sie mit einem frischen “Moin!” und frage, ob es okay wäre, mein Zelt ein, zwei Stündchen stehen- und trocknen zu lassen, während ich in der Stadt frühstücke. Sie winken so lässig ab, dass die Asche ihrer Fluppen in elegantem Bogen durch die Luft sinkt: “Kein Thema, total uninteressant.” Ich freue mich umso mehr über ihre Erlaubnis, als mein Zelt auf dem Nachbargrundstück steht – die beiden haben da gar nichts zu erlauben oder zu verbieten. Immer wieder habe ich in ähnlichen Situationen erlebt, dass Unbefugte sehr freudig (meist positive) Entscheidungen treffen, während Befugte sich oft schwer tun. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass es vielleicht noch Entscheidungsebenen über ihnen gab.

Hinter Zittau liegen die Zittauer Berge – ein Kleinod, das für Motorradfahrer riesigen Spaß bereithält. Dichte Wälder, schmale Straßen, enge Kurven, auf und ab – ein Traum. Und weil Sonntag ist, kommen auf jedes Auto vier bis fünf Motorräder. Ich bin sicher, auch sie grinsen selig unter ihren Helmen.

Und dann ist es soweit: Meine Komfortzone ist zu Ende!

Ich spreche kaum ein Wort Tschechisch (ich hoffe, dass Einheimische zumindest meine Floskel-Äußerungen als ihre Sprache erkennen), mein Russisch nicht mehr existent. Hoffentlich sprechen sie Englisch, sonst bin ich aufgeschmissen.

Sobald ich auf tschechischen Straßen fahre, sehe ich andere Dinge. Oder sehe ich Dinge anders?

Einmal mehr wird mir bewusst, dass man als Reisender aufpassen muss, was man fotografiert und wovon man berichtet. Selten wird es das sein, was man kennt – wozu auch? Also dokumentiert man das, was anders oder sogar fremd ist. Soweit so gut. Aber zuhause entsteht leicht der Eindruck, dass das so anders und fremd Wirkende vorherrscht – obwohl es eigentlich viel mehr Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten gibt.

Was ich in Deutschland allerdings bisher nicht hatte, war eine persönliche Begrüßung am Straßenrand – Prag scheint auf mich zu warten 🙂

 

Mein Versuch, Josi am nächsten Tag auf dem Bürgersteig neben dem Altstädter Rathaus mit seiner berühmten astronomischen Uhr von 1410 zu parken, wird von zwei streng blickenden Polizisten gestört.

Wenn die wüssten, dass sie in mir statt Respekt nostalgische Erinnerungen an die netten amerikanischen Polizisten hervorrufen! Oder sehen sie mir etwas an und werden deshalb etwas weicher? Nach meinem augenklimpernden “In Deutschland darf ich sie immer auf den Gehweg stellen!” erklärt mir Polizist 1 sehr nett, woran ich in dieser Stadt die Parkzonen erkenne. Polizist 2 hat derweil Josi umrundet und zeigt wortlos auf mein verbogenes Nummernschild. Wie nett von ihm, mich darauf hinzuweisen! “Ich weiß – aber das muss so. Das ist eine Erinnerung an eine Begegnung in Texas!” Endlich zeigt sich ein leichtes Lächeln, das ich natürlich erwidere, bevor ich mich auf die Suche nach einem besseren Parkplatz mache.

Ich habe keine Lust, in der Hitze touristische Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Ich arbeite ein wenig in einem Café und schlendere durch die entzückende Altstadt, nachdem ich Josi dann doch irgendwo im Parkverbot abgestellt habe. Das ist ihr vertraut.

In der Stadtbibliothek steht ein Bücherturm, der aus 8.000 Büchern besteht. Auch deutsche Klassiker sind dabei: Doris Lessingova, zum Beispiel.

Der Abend gehört der Prager Burg auf dem Hradschin. Liegt es an der Uhrzeit oder an Corona, dass ich die größte geschlossene Burganlage auf der ganzen weiten Welt fast für mich allein habe? Es ist wunderschön und wird fast magisch, als von irgendwo sanfte Trompeten durch die schmalen Gassen schweben.

Natürlich schaue ich bei Kafka vorbei (er hat ein paar Monate lang im Goldenen Gässchen gewohnt), aber weil ich sofort ein Krabbeln im Nacken spüre und in dem kleinen Raum fast Platzangst bekomme, bleibe ich nicht lange.

Die Darstellungen am Gitter des Veitsdoms werfen Fragen auf („Was hat sie denn jetzt schon wieder zu meckern?“) …

… aber das hält den Dicken nicht davon ab, sich auf die Suche nach dem schönen Burgfräulein zu machen – das natürlich nur auf ihn wartet.

Jetzt geht es weiter nach Osten – Berichte folgen!